Sprach(er)kenntnisse - Die sprechen hier anders.

Wer hätte es gedacht. :) Der aufmerksame Leser erinnert sich vielleicht, dass ich schon ganz zu Anfang diese clevere Erkenntnis hatte. Ich möchte das noch kurz ergänzen. Ich hatte es ja so interpretiert, dass es irgend etwas mit Höflichkeit zu tun haben könnte, dass deutsche Sätze viel komplizierter sind als amerikanische. Das kann man so einfach aber nicht sagen. In der Tat sind die Amerikaner nämlich – scheinbar – die Höflicheren. Die wichtigsten Vokabeln sind „great“ und „awesome“. Gerade im geschäftlichen Umfeld sind Amerikaner immer sehr darauf bedacht, Anerkennung zu zeigen. Und zwar immer und für alles: Vor zwei Wochen habe ich den neuen Computer bekommen, auf dem endlich mein Emailprogramm funktioniert. Ich habe daraufhin einen Ein-Zeiler an meine sieben Teamkollegen geschickt, um ihnen das mitzuteilen (und meine private Mailbox vor dem Kollaps zu bewahren) – und von jedem einzelnen eine Antwort-Mail mit mindestens einem „Great!“ erhalten.
Man sagt hier auch nie, wenn irgendwas völlig am Ziel vorbei gegangen ist. Im Gegenteil. Ich saß in einem Meeting, in dem die Agentur ein Konzept für eine Onlinekampagne vorgestellt hat. Die Agentur war nur per Telefonkonferenz zugeschaltet. Ich konnte also sehen, wie die Kollegen tatsächlich reagiert haben (man kann das Telefon ja stumm schalten) und es war eindeutig, dass das nicht ihren Vorstellungen entsprach. In Deutschland gäbe es da kurzen Prozess: Noch mal machen. Hier wird erst mal zum Ausdruck gebracht, wie „great“ und „awesome“ die Idee und das Design ist, bis man irgendwann mal in einem Nebensatz andeutet, dass es das Thema nicht so ganz 100%ig trifft. Aber ganz knapp, wirklich - und das Design ist ehrlich ganz toll.
Ich habe neulich auch einen Kollegen falsch verstanden als ich für ihn eine Liste mit Videomaterial erstellen sollte. Da hieß es dann erst mal „Thanks for the great start, Sarah“, bevor er sagte, dass er sie aber gern noch nach Modell geordnet hätte.
Mein absoluter Liebling unter den Annerkennung zollenden Phrasen ist ja „that makes sense“ und besonders die Steigerung „that makes a lot of sense“. Nachdem ich mich tagelang gefragt habe, ob irgend etwas mehr Sinn machen kann, als etwas, das schon Sinn macht (ja, so verbringe ich meine Freizeit;), bin ich zu folgendem Ergebnis gelangt: Diese Phrase bewertet etwas gar nicht als mehr oder weniger sinnvoll, sondern heißt einfach nur: „Ja, ich höre noch zu“.

Um ehrlich zu sein schätze ich die deutsche Direktheit in diesem Zusammenhang. Ständig für Jobs gelobt zu werden, die maximal voraussetzen, Lesen und Schreiben zu können, ist nicht besonders motivierend. Aber wir (Praktikanten) nehmen’s mit Humor und tauschen uns abends darüber aus, wer für den anspruchslosesten Jobs die meisten „great“s geerntet hat.

Eine weitere Erkenntnis zum Thema Sprache betrifft meine Sprachkenntnisse. Ein guter Freund aus Ulm (Patrick) hatte mir das schon im Vorfeld prophezeiht und ich bin beeindruckt, wie recht er hatte: Ich war in den letzten Wochen ziemlich frustriert, was die Entwicklung meines Englisch anging. Ich habe nämlich keine festgestellt – vielmehr hatte ich das Gefühl, es wäre eher schlechter geworden. Ich verstehe eigentlich alles, aber manchmal verhasple ich mich mit der Aussprache, mir fallen die einfachsten Wörter nicht ein, ich spreche langsam und ich höre meine eigenen Fehler, während ich sie mache. Das nervt am meisten – zu wissen, dass es falsch ist und es trotzdem nicht richtig machen…
Inzwischen fühle ich mich wieder etwas sicherer. Ich versuche auch aus jedem Gespräch möglichst viel mitzunehmen, schreibe mir in Meetings Vokabeln und Phrasen auf – die ich nicht oder nur passiv weiß, d.h. die ich verstehe, aber nicht aktiv nutze. Und das macht dann doch auch wieder Spaß.

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